Joachim Wiemeyer | Februar 2021

Die Weltwirtschaft nach der Coronakrise

Anmerkungen aus wirtschaftsethischer Sicht

„Das Risiko für eine schnell über viele Länder und Kontinente ausbreitende Seuche steigt“[1], so warnte schon vor Jahren ein führender Immunologe, der zugleich auch auf ökonomische Studien hinwies, dass dann ein Einbruch der globalen Wirtschaft im Umfang von 5% des Weltsozialprodukts möglich sei. Zwar hatten schon Übungen und Planspiele für solche Fälle in einzelnen Ländern stattgefunden, jedoch wurden daraus nicht hinreichende Konsequenzen gezogen, weder auf nationaler Ebene, in der Bevorratung von Schutzkleidung, Medikamenten etc., noch im internationalen Kontext, um eine weltweite Seuchenausbreitung wirksam einzuschränken. Daher sind die Folgen der durch das Coronavirus ausgelösten weltweiten Wirtschaftskrise gravierender als die der internationalen Finanzmarktkrise von 2008.

Sowohl bei nationalen Regierungen wie bei Wirtschaftsunternehmen gibt es die Neigung, möglichst schnell auf den alten Wachstumspfad zurückzukehren, indem die Wirtschaft, z. B. durch eine expansive Geldpolitik der Notenbanken, eine Mehrwertsteuersenkung zur Konsumstimulierung und eine extrem hohe Staatsverschuldung schnell wieder in Gang gebracht werden soll. Durch die Erfindung von Behandlungsmethoden gegen die Coronainfektion und neue Impfstoffe soll das Leben möglichst bald weitergehen wie zuvor. Eine solche tiefgreifende Krise sollte aber Anlass sein, grundsätzlicher zu fragen, ob die bisher eingeschlagenen Pfade weitgehend unverändert weitergeführt werden sollten oder ob die weltwirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte, vor allem seit 1990, dem Ende der sozialistischen Wirtschaften und der darauf einsetzenden intensiven Globalisierung, tiefgreifender zu hinterfragen ist.

2.  Probleme der „Hyperglobalisierung“

Trotz der im Folgenden zu schildernden Defizite hat es durch die Globalisierung in fast allen Ländern der Erde erhebliche ökonomische wie soziale Fortschritte gegeben, die sich weltweit an der wachsenden Bevölkerungszahl und steigender Lebenserwartung ablesen lassen. So hat sich in vielen Ländern, z. B. in China, entsprechend der Millenniumsentwicklungsziele der UN von 1990 bis 2015 der Anteil der Armen mehr als halbiert. Auch haben sich andere Indikatoren menschlicher Entwicklung wie etwa die Einschulungsquoten erhöht und die Kinder- und Müttersterblichkeit ist signifikant gesunken. Während zu Beginn der Industrialisierung vor 200 Jahren 80 bis 90% der Weltbevölkerung in absoluter Armut lebte und die Lebenserwartung entsprechend kurz war, ist der Anteil in der Gegenwart, vor Ausbruch der Coronakrise, auf ca. 13% gesunken. Dies ist der niedrigste Wert in der Wirtschaftsgeschichte der Menschheit.[2] Eine Reduktion der absoluten Armut kann aber einhergehen mit einem Anstieg relativer Armut, wenn die Einkommenszuwächse Wohlhabender und Reicher schneller sind als die der Ärmsten. Papst Franziskus spricht sich deshalb in „Fratelli tutti“ (Nr. 21) für einen relativen Armutsbegriff aus.

Konsequenzen des weltweiten Zusammenwachsens

Das Bevölkerungswachstum hat aber neue Probleme hervorgerufen, wie etwa die Herausbildung von Megacities mit einer Bewohnerzahl im zweistelligen Millionenbereich in Entwicklungs- und Schwellenländern. Diese sind häufig durch Elendssiedlungen gekennzeichnet. In ländlichen Räumen dringt die wachsende Zahl von Menschen immer tiefer in bisher weitgehend naturbelassene Gebiete (Regenwälder) vor. Die hohe Bevölkerungsdichte in Megacities mit mangelhafter Hygiene aufgrund dichten Zusammenlebens und fehlenden Wasser- und Abwassersystemen begünstigt ebenso die Krankheitsübertragung wie das Vordringen von Menschen in bisher naturbelassene Regionen und der Kontakt mit Wildtieren. Das unkontrollierte Wachstum von Megacities gehört zu den Ambivalenzen wie andere Phänomene einer „Über- oder Hyperglobalisierung“, vor denen bereits vor Jahrzehnten gewarnt worden ist.

Der ökonomische Kern der globalen Wirtschaft besteht darin, dass sich komplexe Produkte (z. B. ein PKW) aus einer Vielzahl von Teilen, die in verschiedenen Ländern der Welt produziert werden, zusammensetzen. Unternehmen organisieren ihre Lieferkette so, dass sie fragen, in welchem Land der Erde bestimmte Produktionselemente kostengünstig hergestellt werden können. Auf langen Transportwegen werden diese Teile für Zwischen- und Endmontagen zusammengeführt. Dabei ist der internationale Gütertransport gerade dadurch sehr günstig geworden, dass sich der Verkehr über Container, immer größere Schiffe (mit kleinen Besatzungen), Hafenanlagen und Umschlagplätze deutlich verbilligt hat. Die Senkung der Verkehrskosten beruht aber auch darauf, dass es – trotz der vielfältigen Umweltbelastungen – eine unzureichende Besteuerung von nationalem Verkehr (Benzin- und Dieselsteuern) gibt und gerade der weltweite Verkehr durch praktisch völlig fehlende Besteuerung von Schiffsdiesel (mit hohem Schwefelgehalt) und Kerosin für Flugbenzin gekennzeichnet ist. Durch die Ausflaggung der Schiffe in Steuerparadiese, schlechte Bezahlung von Besatzungen, staatliche Subventionierung des Schiffbaus etc. wurden die Transportkosten weiter künstlich gedrückt. Am Beispiel des Verkehrs und seines Wachstums wird exemplarisch deutlich, wie sehr eine globale Umwelt- und Klimapolitik fehlt, die viele weitere Dimensionen beinhalten müsste (von der Gewinnung von Rohstoffen, über Transport und Verarbeitung, bis hin zur Müllentsorgung).

Zwar stagniert die Wachstumsrate des Welthandels seit fast 10 Jahren durch zunehmende protektionistische Maßnahmen. Die Intensität des Welthandels wäre aber geringer und seine gesellschaftliche Akzeptanz größer, wenn ökologische und soziale Aspekte in den globalen Lieferketten stärker berücksichtigt worden wären.

Eine weitere Form der Hyperglobalisierung liegt in internationalen Finanzmärkten vor. Während einige Ökonomen der Auffassung waren, dass man in diesen das Ideal von Märkten sehen könne, weil sie eine unendlich schnelle Anpassungsfähigkeit zeigen, weil Transaktionen in beliebiger Größe stattfinden und alle marktrelevanten Informationen schnell verarbeitet werden können, sind sie tatsächlich durch Herdentriebe und ein Überschießen gekennzeichnet. Dies führt dazu, dass es sowohl Phasen der Zusammenbrüche wie überschießender Euphorie gibt. Als zu Beginn der Coronakrise die Folgen für die Realwirtschaft noch gar nicht absehbar waren, kam es zu einem Absturz an Wertpapierbörsen. Aus Entwicklungs- und Schwellenländern wurden hohe Milliardenbeträge abgezogen und in vermeintlich sichere Häfen gebracht. Die Notenbanken und die staatliche Fiskalpolitik sahen sich unter dem Druck der Finanzmärkte gezwungen zu handeln. Dies zeigt aber, dass die Reformmaßnahmen nach der weltweiten Finanzkrise von 2008 nicht hinreichend waren, die Finanzmärkte durch eine umfassende Finanztransaktionssteuer und härtere Eigenkapitalanforderungen zu stabilisieren. So nahm in den Krisenmonaten März und April 2020 – während die Realwirtschaft in Teilen stillstand – das bereits überhektische Handelsvolumen an Finanzmärkten noch mehr zu, obwohl Transaktionen mit realwirtschaftlichem Bezug (z. B. der Devisenhandel für Außenhandel oder Tourismus) zwangsläufig deutlich zurückgingen. Eine wirksame Regulierung internationaler Finanzmärkte fehlt weiterhin, wie Papst Franziskus in „Fratelli tutti“ (Nr. 170) mit Recht beklagt.

Die liberalen weltweiten Finanzmärkte ermöglichten sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen, ihre Steuerlasten legal zu verschieben bzw. haben auch eine illegale Steuerhinterziehung erleichtert. Das große – vom ehemaligen US-Präsidenten Trump immer wieder beklagte – Handelsdefizit der USA war auch dadurch bedingt, dass die führenden US-Digitalkonzerne wie Google, Facebook, Apple, Amazon etc. mehr als 3.000 Mrd. US-Dollar Gewinne, die sie außerhalb der USA erzielt und dort, z. B. wegen der Steuerkonkurrenz zwischen den EU-Ländern kaum oder nicht besteuert hatten, in Finanzoasen parkten[3], statt sie an den Konzernsitz in der Heimat zu repatriieren. Dies geschah nur dann, als Trump diesen Unternehmen befristet enorme Steuervergünstigungen einräumte. Diese weltweite unzureichende Besteuerung hatte für ärmere Länder die Konsequenz, dass ihnen Mittel fehlten, um z. B. die Infrastruktur und das Bildungswesen im eigenen Land schneller und wirksamer auszubauen, und somit wirtschaftliche Rückstände aufzuholen. Außerdem konnten sie kein funktionierendes Gesundheitssystem sowie soziale Mindestsicherungen für Arme errichten. Damit wurden die weltweiten Unterschiede zwischen einer Vielzahl ärmerer Länder (vor allem in Afrika südlich der Sahara) und wohlhabenden Industrienationen kaum vermindert. In reicheren Industrienationen führte die unzureichende Besteuerung in einer Reihe von Ländern zu einer hohen Staatsverschuldung, zur Zunahme sozialer Ungleichheit und zu einem unzureichenden Ausbau der öffentlichen Infrastruktur, wie dem Gesundheitssystem, dem Bildungswesen und sozialen Sicherungssystemen. Hinzu kam aber auch, dass in manchen Ländern dafür zwar Handlungsmöglichkeiten bestanden hätten, aber politische Ideologien wie ein überzogener Wirtschaftsliberalismus zu Regierungsmehrheiten führte, die entsprechend notwendige staatliche Aktivitäten unterließen. Dies hat die Entstehung populistischer Strömungen mitbegünstigt.

Das „Ende der Geschichte“?

Nach 1990 bestand in den westlichen Industriegesellschaften die Hoffnung, dass mit dem Ende des Sozialismus und der weltweiten Ausbreitung der Marktwirtschaft es auch zu einer weltweiten Ausbreitung demokratischer und rechtsstaatlicher Systeme kommt. Beispielhaft hierfür ist die damalige These des US-amerikanischen Publizisten Francis Fukuyama, der vom „Ende der Geschichte“ sprach. Doch die vielfach vertretene Auffassung, „Marktwirtschaft“ sowie „Rechtsstaat und Demokratie“ seien gewissermaßen Zwillinge, hat getrogen. Weltweit sind gar nicht erst mit der Ausdehnung der Marktwirtschaft und einer Integration in die Weltwirtschaft Demokratien entstanden (China), oder es lässt sich eine Rückentwicklung (Russland, Türkei) zu autoritären Regimen beobachten. Solche autoritären Systeme wie China spielen ihre ökonomische Stärke „in streng machiavellistischer Manier“[4] aus. Sie entwickeln langfristige Strategien, um in anderen Ländern Einflusszonen zu schaffen (neue Seidenstraße), erzeugen in weiteren Ländern (z. B. durch Infrastrukturprojekte auf Kreditbasis) neue Abhängigkeiten, kaufen wiederum in noch anderen Ländern unter technologischen Gesichtspunkten strategisch wichtige Unternehmen (z. B. Hersteller von Industrierobotern) auf und streben in Wirtschaftssektoren, die sie als zukünftige Schlüsselbereiche der Weltwirtschaft ansehen (IT- und Kommunikationstechnik), die Weltmarktführerschaft an. Dabei ist eine langfristig denkende und strategisch ausgerichtete Staatsführung in der Lage, zunächst hohe Investitionen zu tätigen und Anlaufverluste hinzunehmen, während in westlichen Industrieländern sowohl die politische Steuerung (Vierjahres-Wahlzyklus) als auch vom Finanzmarkt getriebene Unternehmen (Vierteljahresberichte börsennotierter Unternehmen) kurzfristiger ausgerichtet sind. Internationale Zusammenarbeit erfordert Transparenz und Offenheit der Kommunikation, auch unter beteiligten Nationen, die aber – wie die Coronakrise eindrücklich zeigt – von chinesischer Seite fehlt, weil man z. B. den offiziellen Zahlen zu Infizierten und Opfern nicht trauen kann.

Die fehlende Ausbreitung von Rechtstaat und Demokratie in bisher autoritär regierten Ländern trotz intensiverer Mobilität von Personen, Gütern, Dienstleistungen, Kapital und einer schnelleren Verbreitung von Wissen und Technologien (z. B. Smartphones) sowie die Zunahme populistischer und autoritärer Tendenzen in bereits etablierten Demokratien bleiben nicht ohne Konsequenzen. Sie tragen dazu bei, dass die Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit und die Stärkung globaler Institutionen wie der UN und ihren Unterorganisationen, die angesichts wachsender Verflechtungen und globaler Herausforderungen (Klimawandel, Handels- und Finanzsystem, Gesundheitswesen, Migration etc.) immer dringlicher werden, nicht wesentlich vorangekommen sind. Im Gegenteil: Die USA unter Trump hatten als weltweit bisher noch wirtschaftsstärkste Nation das Pariser Klimaabkommen und die Mitgliedschaft in der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gekündigt und die Welthandelsorganisation (WTO) bewusst geschwächt. Die Rückwendung ins Nationale, die in der Coronakrise auch innerhalb der EU-Staaten stark manifest wurde und im Welthandel durch protektionistische Maßnahmen schon länger anhält, stellt, angesichts der Notwendigkeit einer verstärkten „Weltinnenpolitik“[5] auf vielen Gebieten, keine Lösung dar, weil sie den langfristen und wohlverstandenen Eigeninteressen aller Länder entgegensteht.

3.  Grundbedingungen menschen- und schöpfungsgerechten Wirtschaftens

Da Gott ein Gott des Lebens ist, der den Menschen nach seinem Abbild schafft, ist es die Pflicht der Menschen, ihre Art des Wirtschaftens und die dabei vorgenommenen Eingriffe in die Natur so einzurichten, dass dauerhaft menschliches Leben auf der Erde möglich bleibt. Zu dem biblisch begründeten Kulturauftrag (Gen 1,28) gehört eine Gesellschafts- und Wirtschaftsentwicklung, die darauf abzielt, Krankheiten und Hunger, Krieg und Gewalt, Naturkatastrophen und Unfälle zu verhindern und Leben zu sichern. Ausdruck menschlicher Vernunft ist es, sich einem solchen Zustand durch entsprechende Institutionen, vor allem auch durch Technik und Wissenschaft, zu nähern. Da wegen der ökologischen bzw. planetarischen Grenzen zwischen der Lebensqualität der einzelnen Menschen im Sinne von materiellen Grundbedingungen, Partizipationschancen und Sicherheiten einerseits und der Anzahl der auf der Erde insgesamt lebenden Menschen andererseits eine Spannung besteht, muss eine Abwägung stattfinden.[6]

Alle Menschen weltweit sollten durch Bildung, hinlänglicher Gesundheitsfürsorge und ausreichenden materiellen Lebensbedingungen ihr Leben eigenständig gestalten dürfen. Hierzu gehört auch gesellschaftliche Teilhabe in ihrem sozialen Umfeld oder im Rahmen einer arbeitsteiligen Wirtschaft. Dieses Selbstbestimmungsrecht, das durch das Subsidiaritätsprinzip legitimiert ist, kann in den einzelnen Traditionen und Kulturen unterschiedliche Ausprägungen finden. Ein solcher Pluralismus bedingt jedoch die Unterscheidung zwischen inneren Ordnungen einerseits und Staaten andererseits, wobei Staaten darüber hinaus die Vielfalt von Regionen und kleineren Gemeinschaften anerkennen sollten.

Daraus resultieren zwei Kriterien: Zum einen dürfen die Menschen in einzelnen Staaten nicht gezwungen werden, Lebensformen, Kulturen, Wirtschaftsorganisationen etc. anzunehmen, die nicht ihren Vorstellungen entsprechen, zum anderen dürfen aber auch nicht solche Strukturen und Institutionen gewählt werden, die nicht mit weltweiten Erfordernissen bzw. dem Weltgemeinwohl (etwa des globalen Ökosystems, Verhinderung von Pandemien) kompatibel sind.

Von ehemaligen Kolonialmächten ist gegen das erste Kriterium der lokalen Selbstbestimmung verstoßen worden, in der Gegenwart wird vor allem von Ländern mit einem erheblichen CO2-Ausstoß gegen das zweite Kriterium verstoßen. Dabei sind letztere nicht mit den ehemaligen Kolonien identisch, weil z. B. Länder mit dem höchsten Pro-Kopf-Ausstoß klimaschädlicher Gase Ölstaaten im Nahen Osten sind. Beide Ländergruppen überschneiden sich aber.

Wenn man von einem „Weltgemeinwohl“ spricht, zugleich aber die Legitimation kultureller Vielfalt anerkennt, stellt sich die Frage, ob angesichts eines solchen legitimen Pluralismus überhaupt das „Weltgemeinwohl“ inhaltlich gefüllt werden kann.[7] Geht man von einer skeptischen Sicht des kritischen Rationalismus aus, ist vernünftigerweise anzunehmen, dass die weltweiten „sozialen Übel“ (Karl Popper) wie die Pandemie mit vielen Toten, Zusammenbrüche der Weltwirtschaft durch Finanzmarktkrisen, Kriege mit Massenvernichtungswaffen und radioaktiver Verseuchung vieler Teile der Erde, Zusammenbrüche von Ökosystemen etc. einem wohlverstandenem Weltgemeinwohl widerstreiten. Solche Übel können von keinem vernünftigen Menschen gewollt sein. Diese finden teilweise als Folge eines ungewollten und unkoordinierten Verhaltens, als Form kollektiver Selbstschädigung, statt. Um solche Übel in Folge von Rationalitätsfallen zu vermeiden, ist gemeinsames Handeln der Staaten notwendig, was 2008 geschehen ist, als die G 20, die wichtigsten weltwirtschaftlichen Staaten, durch abgestimmtes Handeln die Weltwirtschaft stabilisiert hatten und – anders als 1929 – eine tiefgreifende und länger andauernde Weltwirtschaftskrise vermieden wurde. Das Weltgemeinwohl ist in internationalen Organisationen zu konkretisieren. Zwischen den Akteuren ist abzustimmen, welche Instrumente dafür einzusetzen sind und welcher Staat wie viel zum Weltgemeinwohl (z. B. in der Reduktion von CO2) beizutragen hat. Das kollektive Handeln in der Finanzmarktkrise 2008 zeigt, dass dies prinzipiell möglich ist, so dass auch in anderen Aufgabenfeldern Chancen für gemeinsames Handeln trotz pluralistischer Wertvorstellungen und kurzfristiger Interessensunterschiede bestehen.

4.  Handlungsperspektiven

Eingangs ist eine Reihe von globalen Problemen benannt worden. Mit Aussagen wie „die Weltwirtschaft hat während der Phase rapider Globalisierung hohe Wohlfahrtsgewinne erzielt. Die Verteilung dieser Gewinne zwischen und innerhalb von Ländern mag nicht den Gerechtigkeitsvorstellungen aller Beobachter entsprechen“[8], wird ein Kernproblem zu einem Randaspekt heruntergespielt. Im Gegensatz dazu wird hier die These vertreten, dass Verteilungsfragen für Lösungsansätze im Zentrum stehen müssen. Es gibt zwei zentrale Verteilungsprobleme, nämlich zum einen zwischen den einzelnen Staaten und zum zweiten innerhalb der meisten Staaten selbst, und zwar sowohl in Entwicklungs-, Schwellen- als auch in Industrieländern. Für eine zentrale Bedeutung von Verteilungsfragen spricht, dass bei ausgewogeneren Verteilungen Zusammenhalt und Konsens in Gesellschaften bzw. zwischen Staaten leichter herstellbar sind. Der notwendige größere Zusammenhalt für die Lösung von globalen Problemen könnte erleichtert werden. Auch von einigen wirtschaftsliberalen Autoren[9] wird inzwischen anerkannt, dass ein „Trickle-Down-Effekt“, bei dem angeblich wirtschaftliches Wachstum zu allen Bevölkerungsschichten durchsickert, vielfach nicht gegeben ist, wie dies auch Papst Franziskus in „Evangelii gaudium“ (Nr. 54) und „Fratelli tutti“ (Nr. 168) betont. Ausgewogenere Verteilungen könnten leichter zu einer gemeinsamen Konsensbildung über die Relevanz, Bedeutung und Instrumente für Klima- und Umweltschutz führen. Ärmere Länder räumen üblicherweise dem Umweltschutz keine sehr hohe Priorität ein, notwendige Strukturänderungen im Sinne eines ökologischen Umbaus könnten eher akzeptiert werden. Weiterhin kann Migrationsdruck nachlassen, wenn sich Einkommens- und Beschäftigungsmöglichkeiten in ärmeren Ländern verbessern.

Interne und zwischenstaatliche Verteilungsfragen hängen jedoch zusammen, da die Maßnahmen einer besseren internen Verteilung (z. B. bessere Bildungsmöglichkeiten für alle) zugleich auch die ökonomische Leistungsfähigkeit eines Landes erhöhen können. Es soll aber zunächst die Verteilung zwischen Staaten debattiert werden. Die weltweite Pandemie zeigt, dass es im wohlverstandenen Interesse aller Staaten liegt, dass überall ein qualifiziertes Gesundheitswesen bestehen sollte, um Krankheiten einzudämmen und ihre Ausbreitung zu verhindern. Kein Land wird sich – ohne gravierende Folgen – so nach außen abschotten können, dass der „Import“ des Virus ausgeschlossen ist. Ein Gesundheitswesen kann sich aber nicht nur auf die Bekämpfung einer oder weniger Krankheiten beschränken, sondern muss insgesamt leistungsfähiger sein. Ein Gesundheitswesen in einem Land kann aber mit qualifizierten Arbeitskräften, leistungsfähiger medizinischer Infrastruktur (Krankenhäuser, Labore, Medizintechnik, Medikamente) etc. nicht bestehen, wenn andere Voraussetzungen der Gesunderhaltung wie Bildung, Hygiene durch Wasser- und Abwasseraufbereitung und gesunde Ernährung nicht gegeben sind. Isolierte Interventionen (z. B. Senkung der Kinder- und Müttersterblichkeit) führen zu hohem Bevölkerungswachstum, wenn nicht parallel weitere Änderungen erfolgen (z. B. durch Bildung für Frauen und Wirtschaftsentwicklung).

Wirtschaftliche und soziale Annäherung der Staaten?

Die Möglichkeiten, die Abstände zwischen den Staaten wirksam zu reduzieren, werden unterschiedlich eingeschätzt. Eine optimistische These hält dies durchaus für erreichbar, während zwei pessimistische Positionen es eher bezweifeln.

Die eine pessimistische Richtung geht davon aus, dass die etablierten Industrienationen ihren Wohlstand nicht nur in der Vergangenheit (Sklavenhandel, Kolonialismus), sondern in der Gegenwart dem Zugriff auf natürliche Ressourcen und billige Arbeitskräfte verdanken.[10] Ohne einen Raubbau an der Natur (Abholzung von Regenwäldern, Übernutzung der Landwirtschaft, Bodenerosion, billige Müllendlagerung) sowie den Rückgriff auf billige Arbeitskräfte in der Exportindustrie von Schwellen- und Entwicklungsländern, wäre der Wohlstand von Industrieländern grundsätzlich nicht möglich. Dieser wird durch die Macht transnationaler Konzerne, die von Industrieländern verfassten Regeln des internationalen Handelssystems sowie den von ihnen dominierten Finanzinstitutionen (IWF, Weltbank) gesichert.

Der zweite pessimistische Ansatz sieht in den internen Verhältnissen der Entwicklungsländer die zentralen Ursachen für das Ausbleiben einer Annäherung. Flächendeckende Korruption und ein Gesellschaftsverständnis als Null-Summenspiel, indem sich verschiedene ethnische/religiöse oder andere Gruppierungen gegenseitig blockieren statt ihre Gesellschaft in eine „Win-Win-Konstellation“ zum gegenseitigen Vorteil umzugestalten, verhindern eine Reduzierung der Abstände zwischen armen und reichen Staaten. Obwohl viele Länder (z. B. als Exporteure von wertvollen Rohstoffen) über enormes Potential zu einer eigenständigen Entwicklung verfügen, würden die faktischen Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten durch die herrschende Elite verspielt werden. Die gegenwärtigen Bedingungen auf den weltweiten Handels- und Finanzmärkten würden hingegen ausreichend Chancen bieten, die erfolgreiche Staaten wie Südkorea, Taiwan etc. genutzt haben, die aber anderorts aufgrund interner Faktoren nur unzureichend ergriffen würden.

Die optimistische Richtung geht davon aus, dass durch das Vorbild anderer erfolgreicher Staaten, aber auch durch Staatenkonkurrenz, ggf. Migrationsdruck bzw. Migrationserfahrungen der eigenen Bevölkerung, durch offene Medien und einen immer besseren Wissenstransfer sowie durch externe Hilfe (Entwicklungszusammenarbeit) ein sozialer, ökonomischer und politischer Wandel vorangebracht werden kann, der einen schnellen Aufholprozess ermöglicht. Auslandsinvestitionen, die aus den Heimatregionen der Industrieländer staatlich abgesichert werden sollten, könnten dies zusätzlich fördern. Eine erfolgreiche Entwicklung hänge aber primär von internen Reformen ab, was Länder zeigen würden, die um 1960 in identischer Höhe des Pro-Kopf-Einkommens lagen und von denen manche in den letzten 60 Jahren stagnierten, während andere mittlerweile ein zehnmal größeres Pro-Kopf-Einkommen haben. Ein Beispiel dafür sei die unterschiedliche Entwicklung von ehemals englischen Kolonien in Afrika (Tansania) und Asien (Malaysia).

Offensichtlich gibt es weltweit einen „Aufstieg und Niedergang von Nationen“[11]. So war das Pro-Kopf-Einkommen in Argentinien oder Chile um 1900 höher als in Deutschland oder der Schweiz. Indem manche Länder stagnieren oder langsam wachsen, während andere schneller wachsen, verändern sich die relativen Abstände und Rangfolgen. Wenn man der ersten pessimistischen Variante folgt, müsste es immer Verlierer geben und es könnten nicht alle mehr oder weniger starke Gewinner sein. Wenn man sich aber die ärmsten Länder der Erde (z. B. Südsudan) näher ansieht, sind diese in die intensive Arbeitsteilung der Weltwirtschaft kaum einbezogen, so dass nicht offensichtlich ist, dass deren natürliche Ressourcen von anderen Nationen übermäßig genutzt oder der Ertrag der dortigen inländischen Arbeitskraft billig von anderen Ländern angeeignet wird. Die durch die Coronakrise ausgelöste weltweite Wirtschaftskrise zeigt eher, dass Länder durch die Integration in die Weltwirtschaft profitieren und Desintegration sie beeinträchtigt und zwar nicht nur deshalb, weil sie ihre Wirtschaftsstruktur auf den Weltmarkt ausgerichtet haben, die nicht kurzfristig änderbar ist, sondern auch weil es keine anderen, mehr Erfolg versprechenden Entwicklungswege gibt. Nordkorea, Kuba und das ölreichste Land der Welt Venezuela sind keine Vorbilder.

Steuern, Ökologie und Selbstbestimmung – zentrale Fragen für mehr Lebensqualität

Bereits in den letzten Jahren hat es auf internationaler Ebene (OECD-Länder) verstärkte Bemühungen gegeben, Steuerhinterziehung sowie legale Steuervermeidungspraktiken zu bekämpfen. Dazu wurden internationale Meldeverfahren über Einkünfte fremder Staatsbürger ausgedehnt, schwarze Listen von Steueroasen aufgestellt und Transaktionen aus und von diesen Steueroasen durch etablierte Banken erschwert und Vereinbarungen über eine verstärkte Koordination der Besteuerung transnationaler Konzerne intensiviert. Da durch die Coronakrise weltweit Staatsdefizite ansteigen, wächst weltweit fast gleichgerichtet der Finanzbedarf der Staaten. Dies kann daher die Anstrengungen intensivieren, Steuerschlupflöcher zu schließen und eine stärkere Besteuerung Wohlhabender zu erreichen. Außerdem könnten die Chancen für eine Finanztransaktionssteuer, die allerdings weniger der Einnahmeerzielung als der Marktstabilisierung dienen könnte, steigen. Zwar werden Steuermehreinnahmen kurzfristig zur Bedienung der angewachsenen Staatsschulden benötigt. Ein erhöhtes Steueraufkommen kann aber mittelfristig dazu genutzt werden, soziale und ökonomische Ungleichheiten durch ein Bildungssystem, öffentliche Infrastrukturen und kostengünstige öffentliche Dienstleistungen aufzubauen, sowie soziale Sicherungssysteme auszuweiten. Es können auch gesellschaftliche Debatten darüber angestoßen werden, ob in den westlichen Industrieländern ein Zustand gemeinwohldienlich ist, bei dem besonders hohe Einkommen in nicht so sehr systemrelevanten Bereichen wie dem Profisport oder der Unterhaltungsindustrie erzielt werden, während in anderen, gesellschaftlich unverzichtbaren Sektoren die Löhne gering sind.

An die verteilungspolitischen Überlegungen schließt sich zwangsläufig die Frage nach den ökologischen Konsequenzen an. Denn eine Minderung exzessiver Konsummöglichkeiten relativ Wohlhabender würde bei einem Wohlstandsanstieg der Ärmeren wegen deren großer Zahl tendenziell überkompensiert. Für den Anstieg der Lebensqualität Armer spielt etwa der Zugang zur Energie eine zentrale Rolle, vor allem derjenigen, die keinen Zugang zu Strom haben. Technologisch ist es aber in der Gegenwart möglich, eine solche Stromversorgung auf erneuerbaren Energien aufzubauen. Dort, wo – wie in wohlhabenden Industrieländern – Konsumverzichte für breitere Bevölkerungskreise notwendig werden, kann dies bei einer gleichmäßigeren Einkommensverteilung eher gesellschaftlich akzeptiert werden. Beim Einsatz der entsprechenden Instrumente kann durch den Lenkungsmechanismus von Preisen (CO2-Steuern) und die damit ausgelösten Verhaltensänderungen (Rückgang umweltbelastender Aktivitäten) und den induzierten technischen Fortschritt eine deutliche Minderung der Umweltbelastung erreicht werden. Dafür wurde in der Coronakrise bereits eine Basis gelegt, indem sowohl die Fahrten zum Arbeitsplatz als auch Geschäftsreisen durch Homeoffice und Videokonferenzen deutlich reduziert wurden.

In den letzten Jahrzehnten der Globalisierung hat es Spannungen zwischen den kulturellen Rechten der Selbstbestimmung (nationalstaatliche Demokratie) und globalen Regelwerken des internationalen Wirtschaftsverkehrs gegeben. Diese Spannungen und Konflikte beziehen sich darauf, welche Wirtschaftszweige international geöffnet werden und wo z. B. nationale Regelungen zur Wahrung der Eigenständigkeit legitim sind. Konkret betrifft dies Fragen von Auslandsinvestitionen: Darf man z. B. Haus- und Grundbesitz grundsätzlich eigenen Staatsangehörigen vorbehalten bzw. den Erwerb durch Gebietsfremde von einer staatlichen Genehmigung abhängig machen? Welche Bereiche des wirtschaftlichen und sozialen Lebens sollen gewinnorientierten Anbietern geöffnet werden, z. B. im Bildungs- und Gesundheitswesen? Oder gibt es Sektoren, die öffentlichen bzw. freigemeinnützigen, nicht primär gewinnorientierten Anbietern, z. B. Genossenschaften, Stiftungen, Wohlfahrtsverbänden vorbehalten sind? Welche Auflagen (z. B. Beteiligung Inländer, Beschäftigung von Inländern, Einbeziehung von Inländern in die Lieferkette) können ausländischen Investoren etc. gemacht werden? Können ausländischen Investoren hinsichtlich der Arbeitsbeziehungen (Mitbestimmung, Gewerkschaftsrechte) Vorgaben gemacht werden?

Die Problematik liegt darin, dass eine externe Öffnung Handelsverträge zwar erleichtern kann, weil Zugeständnisse in einem Sektor der Wirtschaft durch Liberalisierung in anderen Sektoren kompensiert werden. Weiterhin kann der selektive Schutz einzelner Gesellschaftsbereiche bzw. Wirtschaftssektoren nicht so sehr auf kulturelle Wertvorstellungen der Bevölkerungsmehrheit zurückzuführen sein, sondern eher aus erfolgreicher Lobbyarbeit kleiner Interessengruppen resultieren. Das Unbehagen an der Hyperglobalisierung dürfte aber auch darauf beruhen, dass zu wenig Rücksicht genommen wurde auf kulturell geprägte Traditionen und einer möglichen gesellschaftlichen Bereitschaft, ggf. auch gewisse Wohlfahrtseinbußen hinzunehmen. Partielle Rückschritte in der weltwirtschaftlichen Integration kann es geben, wenn Unternehmen im Zuge der Coronakrise nach Risikominimierung in der Lieferkette streben und Produktionsstandorte in die Heimatregion zurückverlegen. Gleichwohl könnte sich auch das genaue Gegenteil zeigen: Unternehmen versuchen, die Risikolast zu verteilen und binden mehr Lieferanten in mehr Ländern in die Lieferkette ein. Außerdem wird man Branchen, die als Schlüsselbranchen identifiziert werden, vor ausländischer Übernahme schützen, solange man nicht davon ausgehen kann, dass andere weltwirtschaftlich wichtige Akteure demokratischen und rechtstaatlichen Vorstellungen (China, Russland etc.) folgen.

Diese hier skizzierte partielle ökonomische Deglobalisierung erscheint nicht nur realpolitisch wahrscheinlich, sondern ist entsprechend der demokratischen Selbstbestimmung in Nationalstaaten und im Sinne des Subsidiaritätsprinzips der kirchlichen Soziallehre legitim. Trotzdem gibt es zentrale Herausforderungen wie eine internationale Gesundheitspolitik und eine globale Umwelt- und Klimapolitik, bei denen mehr globale Zusammenarbeit und ein stärkerer Multilateralismus gefordert sind. Können notwendige internationale Regelwerke und internationale Organisationen gestärkt werden, wenn in den letzten 30 Jahren die weltwirtschaftliche Integration nicht zu einer Annährung der Wertvorstellungen geführt hat?

5.  Neue Chancen für das Weltgemeinwohl durch mehr Kooperation

Sowohl die Pandemie mit ihren gesundheitlichen Folgen für praktisch alle Länder der Erde als auch die Notwendigkeit für alle, solche Krankheiten rechtzeitig aufzudecken, Ausbreitungen zu verhindern, wirksame Gegenmittel zur Behandlung und zur Prävention (Impfung) zu finden, Ansteckungsrisiken für bestimmte Personengruppen zu identifizieren usw., erfordern mehr internationalen Austausch und internationale Zusammenarbeit, so wie sie bereits in der Wissenschaft stattfindet. Die aktuelle zentrale Bewährungsprobe internationaler Kooperation stellt der Zugang und die Verteilung von Corona-Impfstoffen an alle Länder dar. Daher ist die deutsche Bundesregierung zu Recht für eine Stärkung der Weltgesundheitsorganisation eingetreten und hat ihr zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt. Die durch die Pandemie und die Gegenmaßnahmen ausgelöste tiefgreifende weltweite Wirtschaftskrise mit dem größten ökonomischen Einbruch seit 90 Jahren hat ebenfalls zu schnellen ad hoc-Maßnahmen geführt, indem etwa der IWF und die Weltbank Tilgungen und Zinszahlungen von ärmeren Entwicklungsländern ausgesetzt haben. In Europa wurde ein umfangreiches Konjunkturprogramm beschlossen.

Nach der Wahl von Joe Biden zum US-Präsidenten, zu dessen ersten Amtshandlungen die Rückkehr der USA zum Pariser Klimaabkommen und ihr Bekenntnis zur Mitgliedschaft in der WHO gehören, dürfte die internationale Kooperation neue Impulse bekommen. „Vielleicht kann die Coronakrise dazu beitragen, dass wir zukünftig gelernt haben werden, rechtzeitig föderale Governance-Strukturen aufzubauen, die ein vernünftiges Risikomanagement im globalen Maßstab ermöglichen – und vermeiden, dass Menschen durch Tabus unnötig sterben.“[12] Falls es im Verlauf der Krise sowohl im Gesundheitsbereich wie in der Wiederbelebung der Wirtschaft, die in der Europäischen Union auch „Grüne Akzente“ aufweisen könnte, eine „Atempause“ für Umwelt und Klima durch das temporäre Runterschrauben weltweiter Verkehrsströme geben würde, würde dies die Hoffnung bieten, dass auch in der internationalen Klima- und Umweltpolitik erfolgreichere Ansätze internationaler Kooperation Raum gewinnen könnten.

 

 

 

 

 

Anmerkungen

[1]   E. H. Kaufmann, Stephan: Wächst die Seuchengefahr?, in: Klaus Wiegandt (Hrsg.): Mut zur Nachhaltigkeit. 12 Wege in die Zukunft, Frankfurt a. M. 2016, S. 403.

[2]   Vgl. Hüther, Michael; Diermeier, Matthias; Goecke, Henry: Die erschöpfte Globalisierung. Zwischen atlantischer Orientierung und chinesischem Weg, 2. Aufl., Wiesbaden 2019, S. 200-206.

[3]   Vgl. Saez, Emmanuel; Zucman, Gabriel: Der Triumph der Ungerechtigkeit. Steuern und Ungleichheit im 21. Jahrhundert, Berlin 2020, S. 100.

[4]   Hüther u.a. (Anmerkung 2), S. 246.

[5]      Vgl. Pies, Ingo: Tote durch Tabus – Ordonomische Beobachtungen und Reflexionen zu Moral und Ethik in der Corona-Krise, Diskussionspapier Nr. 2020-05, des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle 2020, S. 2.

6   Vgl. Wiemeyer, Joachim: Und vermehret euch nicht. Was die Kirche im Kampf gegen die globale Überbevölkerung tun muss, in: Herder Korrespondenz 73. Jahrgang, Heft 8, August 2019, S. 42-45.

7   Vgl. Wiemeyer, Joachim: Keine Freiheit ohne Gerechtigkeit, Freiburg i. Br. 2015, S. 109f.

8   Felbermayr, Gabriel; Görg, Holger: Die Folgen von Covid-19 für die Globalisierung, in: Perspektiven der Wirtschaftspolitik, Sonderheft 2020, S. 7.

9   Vgl. Hüther u.a. (Anmerkung 2), S. 171-173.

10 Vgl. Lessenich, Stephan: Neben uns die Sintflut. Wie wir auf Kosten anderer leben, München 2018.

11 Olson jr., Mancur: Aufstieg und Niedergang von Nationen: Ökonomisches Wachstum, Stagflation u. soziale Starrheit, Tübingen 1985.

12 Pies (Anmerkung 5), S. 8.

 

Der Verfasser

Dr. Joachim Wiemeyer ist Professor für Christliche Gesellschaftslehre an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum.