Marianne Heimbach-Steins | November 2020
Systemrelevant!
Arbeitsbedingungen in der Altenpflege
Mit der Corona-Pandemie sind seit März 2020 die Pflegeberufe – von der Intensivpflege in Krankenhäusern bis zur ambulanten Altenpflege – in das Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit gerückt. Plötzlich ist von „Systemrelevanz“ die Rede, werden Pflegekräfte beklatscht und bejubelt. Boni, die im Frühjahr rasch versprochen wurden, hatten kaum mehr als symbolischen Charakter[1] – und der wurde spätestens entwertet, als um die Finanzierung bald ein peinliches politisches Gerangel ausbrach. Die Tarifverhandlungen für den Öffentlichen Dienst im Oktober 2020 haben zu gewissen Verbesserungen bei der Entlohnung der Pflegekräfte geführt – jedenfalls für diejenigen, die nach Tarif bezahlt werden. Das ist ein begrüßenswerter Fortschritt, von dem aber bei weitem nicht alle (beruflich) Pflegenden profitieren werden. In privaten Pflegediensten wird häufig untertariflich vergütet, und diejenigen, die entweder als pflegende Angehörige unentgeltlich pflegen oder irregulär in der häuslichen Pflege tätig sind – die meist osteuropäischen Care-Arbeiterinnen in deutschen Haushalten –, werden von dem Ergebnis der Tarifverhandlungen nicht profitieren. Gleichwohl: Die Krisenmonate des Jahres 2020 haben die Bedeutung der Pflege und der Pflegenden für die gesamte Gesellschaft sichtbar gemacht. Die Notwendigkeit, Arbeitsbedingungen und Vergütung für Pflegekräfte zu verbessern, wird kaum jemand mehr leugnen. Dem Applaus und den Beteuerungen der Heldenhaftigkeit der Pflegenden müssen konkrete Schritte folgen, und zwar für alle Pflegenden. Im Folgenden werden zunächst einige Daten zur Altenpflege in Deutschland sowie Erfahrungen mangelnder Anerkennung aus Sicht von Pflegenden vorgestellt. Anhand der Themen Arbeitszeit und Vergütung werden zentrale Probleme und Desiderate einer anerkennenden Pflegepolitik skizziert. Der Ausblick richtet sich auf das Ziel, Pflege als lebenswichtigen Dienst an der Gesellschaft tatsächlich wertzuschätzen.
Zur Situation der Altenpflege in Deutschland
Laut Statistischem Bundesamt waren im Dezember 2017 mehr als 3,4 Millionen Menschen pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI§ 14 Abs.1). Pflegebedürftig im Sinne des Gesetzes sind Personen, die dauerhaft (d.h. mindestens für sechs Monate) „gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können.“[2] Nur knapp ein Viertel der Pflegebedürftigen wird stationär versorgt, gut drei Viertel der Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt. Von dieser Gruppe werden zwei Drittel ohne Unterstützung professioneller Pflegedienste allein durch Familienangehörige und/oder Live-In-Pflegekräfte versorgt. 2016 sind 75% der Hauptpflegepersonen Partner*innen oder (Schwieger-)Kinder und überwiegend Frauen (68% im Jahr 2016).[3] Die amtliche Statistik verzeichnet Menschen, die in der eigenen Häuslichkeit gepflegt werden, allerdings nur, sofern sie die rechtlichen Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen der Pflegeversicherung erfüllen. Tatsächlich ist daher von einer deutlich höheren Gesamtzahl von Pflegebedürftigen auszugehen; wissenschaftlich fundierte Schätzungen rechnen mit insgesamt etwa 5,4 Millionen Menschen, die in Deutschland durch Angehörige gepflegt werden.[4] Der demographische Wandel, der verbreitete Wunsch der Pflegebedürftigen, in der eigenen Häuslichkeit zu verbleiben sowie die Ausrichtung der Pflegepolitik am Vorrang der ambulanten vor der stationären Versorgung (SGB XI §3) werden die Relevanz dieser Versorgungsform zukünftig noch weiter steigen lassen.[5] Damit wird aber gleichzeitig der Unterstützungsbedarf durch ambulante Pflegekräfte deutlich ansteigen. Parallel ist davon auszugehen, dass auch der Bedarf an (teil-)stationären Angeboten wachsen wird.
Die geschilderte Situation hat viele Ursachen, die hier nicht im Einzelnen erörtert werden können. Ohne Zweifel beleuchtet der große Anteil der Pflegebedürftigen, die ohne professionelle Unterstützung gepflegt werden, die Tatsache, dass es schon heute viel zu wenige Menschen gibt, die Pflege zu ihrem Beruf machen, und zu viele, die diesen Beruf verlassen. Darin spiegelt sich vor allem die mangelnde Wertschätzung, die der Pflegetätigkeit entgegengebracht wird: Die Arbeitsbedingungen sind in vieler Hinsicht schlecht, Pflegekräfte sind notorisch überlastet und schlecht bezahlt, und es gibt nur wenig berufliche Entwicklungsoptionen.
Diese Problemanzeigen stehen offenkundig in einem krassen Missverhältnis zu der demografischen Entwicklung, die sowohl erheblich steigende Zahlen pflegebedürftiger Menschen als auch einen steigenden Anteil der Pflegebedürftigen an der Gesamtbevölkerung bis ca. 2060 erwarten lässt. Dies bedingt einen sehr großen Bedarf an zusätzlichem – v.a. an fachlich qualifiziertem – Pflegepersonal. Die folgenden Bedarfsschätzungen gehen von konservativen Annahmen und den gegenwärtig geltenden Personalschlüsseln aus (es ist jedoch wahrscheinlich, dass der tatsächliche Personalbedarf höher ausfällt[6]): „Setzt man den gleichen Personalbedarf an wie heute, so würde dies dazu führen, dass […] bis 2030 […] statt heute rund 590.000 Personen in der Pflege und Betreuung rund 720.000 Personen benötigt werden. 2060 läge der Bedarf schließlich bei rund 980.000 Pflegepersonen (in Vollzeit). Im Vergleich zum Status quo wäre dies ein Anstieg um 67%. Unter der Prämisse, dass das Verhältnis von ambulanter zu stationärer Versorgung auf dem heutigen Niveau (75% zu 25%) verbleibt, würde dies für die Sektoren jeweils bedeuten: Für die vollstationäre Pflege bedürfte es innerhalb der nächsten elf Jahre knapp 100.000 zusätzlicher Stellen, die es zu besetzen gilt. Bis ins Jahr 2060 würde der Bedarf – allein für die Pflege und Betreuung auf 700.000 Pflegekräfte steigen, was einen Anstieg um rund 80% bedeutet. In der ambulanten Pflege müssten die Personalzahlen von heute rund 190.000 bis ins Jahr 2030 auf 220.000 steigen, im Jahr 2060 lägen sie bei 280.000, wobei bereits im Jahr 2050 der Höhepunkt der Nachfrage (Anstieg von 47% gegenüber 2017) erreicht wäre.“[7]
Angesichts des notorischen Mangels an Pflege(fach-)kräften und der skizzierten Szenarien der Bedarfsentwicklung sind Reformen mehr als dringend. Eine zukunftsorientierte Pflegepolitik muss darauf hinarbeiten, den Pflegesektor so zu reformieren, dass die Pflege-Angebote und die Bedingungen der Pflegearbeit der tatsächlichen Bedeutung der Pflege als gesellschaftlicher Aufgabe entsprechen und Voraussetzungen dafür sichern, dass der Beruf der Altenpflege unter fairen und attraktiven Bedingungen ergriffen und ausgeübt werden kann. Verbesserungen im Bereich der Arbeitsbedingungen sind eine unerlässliche Voraussetzung dafür, dass die jetzt schon klaffenden Lücken wenigstens teilweise geschlossen und elementare Bedingungen guter Pflege für alle Pflegebedürftigen gesichert, bzw. hergestellt werden können. Das ist zugleich eine notwendige (wenn auch allein nicht hinreichende) Bedingung dafür, dass pflegende Angehörige entlastet und flächendeckend gute Alternativen für eine hochwertige Versorgung der Pflegebedürftigen angeboten werden können.
Erfahrungen von Pflegearbeit Leistenden
Bezüglich der Bedingungen, unter denen berufliche Altenpflege geleistet wird, sind gravierende Defizite anzuzeigen: Die Arbeitsbedingungen, die Entlohnung und die soziale Sicherung Pflegender in Deutschland entsprechen häufig weder den Anforderungen an gute Arbeit noch werden sie der Bedeutung dieser gesellschaftlich unverzichtbaren Tätigkeit gerecht. Ausgehend von Defizitanzeigen sind Aufgaben zu skizzieren, die pflegepolitisch angegangen, bzw. von Anbietern von Pflegedienstleistungen eingefordert werden müssen, um denen, die Pflegearbeit leisten, die ihnen gerechterweise zustehende, reale (nicht nur rhetorische) Anerkennung zukommen zu lassen.
Die folgende Skizze von Defiziten und Desideraten der Anerkennung von Pflegearbeit greift u.a. auf Erträge eines Forschungsprojekts zurück[8], das den Bedingungen der Pflegearbeit in Privathaushalten gewidmet war, aber auch darüber hinausreichende Einsichten zu Tage gefördert hat. Die größte Gruppe der im Privathaushalt Pflegenden sind die Angehörigen der Pflegebedürftigen, meistens Ehefrauen, Töchter oder Schwiegertöchter, die neben einer Berufstätigkeit her oder auf Kosten der eigenen Erwerbstätigkeit unentgeltlich pflegen und dabei nicht selten ihre eigene soziale Sicherung aufs Spiel setzen.[9] In diesem Beitrag liegt der Schwerpunkt gleichwohl auf den erwerbsmäßig[10] und professionell Pflegenden, d.h. auf den regulär angestellten Pflegekräften – insbesondere im ambulanten Dienst – sowie auf Erkenntnissen, die durch Vergleich zwischen den Bedingungen im ambulanten Bereich mit denen im stationären Dienst deutlich wurden.
Die Pflegekräfte im ambulanten Dienst sind im Vergleich mit den anderen in Privathaushalten pflegenden Personengruppen (Angehörige, Live-In-Kräfte) aufgrund ihrer Professionalität und des institutionellen „Rückraums“, den der Pflegedienst darstellt, zwar in einer relativ günstigsten Position. Aber im Vergleich mit beruflich Pflegenden in der stationären Altenpflege sowie in der Krankenpflege sind sie hinsichtlich der Vergütung ihrer Arbeit und des beruflichen Prestiges am schlechtesten gestellt. Die markanten Anerkennungsdefizite, die in den folgenden Abschnitten dargestellt werden, weisen auf drängende pflegepolitische Aufgaben hin. Ausgewählte Zitate aus der Interviewstudie, die im Rahmen des Forschungsprojekts mit Expert*innen aus dem Pflegebereich erarbeitet wurde, beleuchten die Probleme schlaglichtartig.[11]
Die drei Problemkomplexe, die exemplarisch herausgegriffen werden, bilden kein vollständiges Tableau der relevanten Herausforderungen ab, repräsentieren jedoch typische Defizite: (1) Bloß rhetorische Anerkennung bewirkt das Gegenteil von dem, was sie behauptet. (2) Die Arbeitsbedingungen von beruflich Pflegenden – v.a. Überlastung, zeitliche Überbeanspruchung und die Abwälzung von unternehmerischen Risiken auf die Pflegekräfte – kommen einer gravierenden Missachtung ihrer Leistung gleich. (3) Die Vergütung der Arbeit in der Altenpflege ist sowohl im Vergleich mit anderen Pflegeberufen als auch in Relation zum Gesamt der Ausbildungsberufe zu niedrig; damit wird den Pflegekräften eine angemessene Anerkennung ihrer Arbeit vorenthalten und in vielen Fällen die Möglichkeit, durch eigene Arbeit einen auskömmlichen Lebensunterhalt und soziale Sicherheit zu erwirtschaften, verwehrt.
Applaus genügt nicht …
Die Erfahrung aus den ersten Monaten der Corona-Krise, dass Pflegende für das, was sie leisten, als „Held*innen“ bejubelt werden, der symbolischen Anerkennung aber keine „Taten“ entsprechen, beschreiben Repräsentant*innen aus dem Bereich der professionellen Pflegedienste als ein gängiges Muster. Auf der einen Seite stehen Bewunderung und Vertrauen, in der konkreten Pflegebeziehung auch die Dankbarkeit für die geleistete Hilfe im Wissen, dass die Hilfeempfangenden ohne diese Unterstützung an die Grenze bzw. in eine echte Notlage geraten wären: „[…] was das Image von Pflegekräften angeht, stehen Pflegende ganz oben, auch was das Vertrauen in Berufsgruppen angeht. Da sind Krankenschwestern und Pfleger ja häufig ganz oben angesiedelt. Unten sind dann Versicherungsvertreter und Politiker angesiedelt. […] Und gelegentlich hört man dann auch von Angehörigen dann zum Beispiel ‚ah, sie machen einen anstrengenden Job. Das könnte ich nicht machen.‘ Da kommt jetzt schon Wertschätzung […] Manchmal auch noch viel positiver, dass man wirklich sagt, ‚ohne Sie hätten wir das nicht geschafft. Sie waren uns eine große Hilfe.‘ (…) Im Einzelfall.“[12]
Dem positiven Eindruck glaubwürdiger Wertschätzung im Einzelfall steht aber eine große Skepsis gegenüber, was den gesellschaftlichen und politischen Willen betrifft, gute Pflege für die Pflegenden auskömmlich zu finanzieren; das kommt in der Fortsetzung des Zitats zum Ausdruck: „Gesellschaftlich würde ich sagen, ja es ist fast zu einer Floskel verkommen. ‚Ja die Pflegenden müssen mehr Anerkennung haben, die Wertschätzung muss sich erhöhen, auch, es muss sich auch ausdrücken in einer angemessenen Bezahlung‘ und so weiter. Aber ich glaube nicht, dass die Gesellschaft tatsächlich bereit wäre, das auch umzusetzen, oder Politiker oder Verbände oder Pflegekassen oder Krankenkassen. Die uns ja zum großen Teil auch finanzieren. Dass die bereit wären.“[13]
Die Skepsis richtet sich nach dieser Aussage auf das gesamte Institutionengefüge der Pflegepolitik und -verwaltung. Sie ist nicht aus der Luft gegriffen und auch nicht nur Ausdruck einer individuellen Befindlichkeit. Was hier von einer einzelnen Expert*innen-Stimme artikuliert wird, spiegelt die Situation einer ganzen Branche wider. Die Erfahrung mangelnder Anerkennung wirft vor allem die Frage auf, was „die Gesellschaft“ und „die Politik“ sich die Pflege kosten zu lassen bereit sind. Es geht um Wertschätzung der Pflegearbeit, d.h. darum, ob hinreichend Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, die es den Pflegenden ermöglichen, im Sinne ihrer beruflichen Standards gut arbeiten und vom Ertrag ihrer Arbeit auskömmlich leben zu können. Es geht um (den Wert der) Arbeitszeit und um faire Löhne.
Gute Arbeits(zeit)bedingungen
Angesichts des gravierenden Personalmangels leiden Pflegekräfte unter Überlastung und Überplanung. Zeit ist ein Schlüsselfaktor, wenn es um die soziale Wertschätzung der (ambulanten) Pflegekräfte geht – und er spielt eine ausgesprochen ambivalente Rolle in der beruflichen Pflege: Für das Pflegesystem ist Zeit ein Kostenfaktor. Dementsprechend legen sozialrechtliche, bzw. -politische Vorgaben die vergütete –, d.h. die im Rahmen der Erwerbstätigkeit verfügbare – Zeit für die pflegerischen Aufgaben fest. Daraus erwachsen zeitorganisatorische Herausforderungen in der Pflegeplanung und Restriktionen in der Leistungsabrechnung. Für die Pflegenden ist Zeit hingegen eine Ressource für den Umgang mit den Patient*innen und für die Realisierung der Qualitätsmaßstäbe guter Pflege entsprechend dem altenpflegerischen Berufsethos. Die Spannung zwischen diesen beiden „Logiken“ führt zu der belastenden Erfahrung von hohem Zeitdruck. Gerade im ambulanten Dienst, wo die Pflegekräfte in der Regel alleine lange Touren fahren, führt das oft dazu, dass die Pflegenden ihre (eigentlich freie) Zeit „verschenken“, um den systemisch produzierten Zeitmangel zu kompensieren.
Mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz (2017) wurde die sog. Minutenpflege, bei der jede einzelne Pflegeleistung mit einem Zeitbudget in Minuten verbunden war, durch das System der Leistungskomplexe (gem. § 75 (1) SGB XI)[14] ersetzt, das Zeitwerte in Relation zum Pflegegrad bestimmt und den Pflegediensten größere Spielräume in der Bestimmung von Zeitbedarfen pro Patient*in lässt. Der Druck, der vom Kostenkalkül ausgeht, wird damit etwas entschärft, aber nicht grundlegend verändert: „[…] auch wenn jetzt keine Minuten erfasst werden, ist es ja so, dass dann dem Pflegegrad am Ende wieder Geld zugeordnet wird und diesem Geld sind […] auch wieder Leistungen zugeordnet und diese Leistungen werden natürlich auch wieder in Minuten ausgedrückt und niemand hat unendlich viel Zeit für eine Leistung. Insofern ist so diese Abkehr von der Minutenpflege, die immer propagiert wird, […] in der Praxis nicht gegeben. Das wird immer noch so sein, dass jemand ziemlich genau ausrechnen kann, wie viele Minuten er am Patienten […] hat.“[15]
Für die Pflegekräfte besteht weiterhin die Spannung zwischen Zeiteinsatz und vergüteter Leistung; ob die Leitungen in der Arbeitsplanung Spielräume nutzen, um persönliche Gegebenheiten der Patient*innen und individuelle Potentiale der Pflegekräfte zu berücksichtigen, hängt von der Unternehmensphilosophie und der Führungskultur der jeweiligen Dienste ab.
Ein Thema, an dem diese Spannung konkret wird, und zugleich ein Gradmesser für die soziale Wertschätzung der Pflegekräfte im ambulanten Dienst, ist die Tourenplanung. Wenn Touren gut geplant werden, reduziert dies den Stress der Pflegekräfte. In unseren Interviews wurde aber immer wieder auf Praktiken bei privaten Dienstleistern hingewiesen, die durch fragwürdige Tourenplanung den Preisdruck auf dem Pflegemarkt an die Pflegekräfte weitergeben. So wird von Anbietern berichtet, die Touren auf Kosten der Mitarbeitenden zu knapp planen. Wenn Touren regelmäßig länger dauern, als die Planung es vorsieht, liegt die Vermutung nahe, dass „System dahinterstecken“ könnte. Um unter solchem Druck „mit gutem Gewissen nach Hause gehen zu können“, setzen Pflegekräfte – oft stillschweigend – mehr als das vorgesehene Zeitbudget ein, ohne dass ihnen die zusätzliche Arbeitszeit vergütet wird: „[…] wenn die Tour zum Beispiel mit sechs Stunden veranschlagt ist, und ich brauche aber sieben, weil ich mir überall mehr Zeit lasse, ist das quasi mein Privatvergnügen. Wir sagen, das kann eigentlich nicht sein. Eigentlich müssen die irgendwie auskömmlich von den Zeiten her gestaltet sein und auch Wegezeit ist Arbeitszeit und zählt da mit hinein. Aber viele, also wir wissen von vielen Kollegen, die schreiben sich das nicht auf und die machen das, weil sie sagen: ‚Lieber reduziere ich, habe dann nur noch sechs Stunden, mache dann aber meine sieben, und kann dann aber mit einem guten Gewissen nach Hause gehen.‘“[16]
Wenn Pflegekräfte ihre bezahlte Arbeitszeit reduzieren, um mehr Zeit für die Patienten zu haben, dieses Mehr dann aber aus eigener Tasche bezahlen, ist das unter dem Gesichtspunkt der sozialen Wertschätzung absurd: Um gute Arbeit zu leisten, zahlen sie bewusst privat „drauf“. Objektiv unzureichende Arbeitsbedingungen – gute Pflege wird nicht auskömmlich bezahlt; Wegezeiten werden nicht vergütet – werden privat ausgeglichen, um den eigenen berufsethischen Ansprüchen entsprechend zu arbeiten.
Wie andere Arbeitnehmer*innen auch, legen Pflegekräfte Wert auf verlässliche Arbeits- und Freizeiten; und sie haben unterschiedliche Erwartungen an Arbeitszeitorganisation und Beschäftigungsumfang, wollen je nach Lebens- und Familiensituation in variierendem Umfang und zu verschiedenen Zeiten beschäftigt sein. Viele möchten aus familiären Gründen lieber in Teilzeit als in Vollzeit arbeiten. In den Pflegeberufen, vor allem in der Altenpflege, liegt der Anteil der Teilzeitbeschäftigung deutlich höher als in anderen Berufsgruppen – um 50% bei den Fachkräften und zwischen 60 und 70% bei den Helfer*innen; der Frauenanteil unter den Teilzeitbeschäftigten liegt bei ca. 90%.[17] Zugleich ist aber ein beträchtlicher Anteil – die Rede ist von bis zu 40% – nur unfreiwillig und mangels Alternative in Teilzeit tätig. Vor allem in den ostdeutschen Bundesländern entspricht der geringe Anteil an Vollzeitstellen nicht den Beschäftigungswünschen von Pflegekräften. Laut der IAB-Studie 2015 geben 46% der Fachkräfte und 55% der Helfer*innen in der Altenpflege in Ostdeutschland an, keine Vollzeitstelle finden zu können und deshalb – unfreiwillig – in Teilzeit zu arbeiten.[18] Pflegedienstleitungen und Trägervertreter*innen weisen immer wieder darauf hin, dass es zumal im ambulanten Dienst kaum möglich ist, im Rahmen der geltenden Arbeitsschutzbestimmungen (Einhaltung von Pausenzeiten) den Anteil der Vollzeitstellen zu erhöhen. Hohe Teilzeitquoten und der Mangel an Vollzeitstellen provozieren die Frage nach Modellen, die es erlauben würden, mehr Vollzeitstellen einzurichten und damit lebensunterhaltsichernde Beschäftigungsmöglichkeiten anzubieten. Gerade im Hinblick auf die Tatsache, dass in der Altenpflege der Anteil weiblicher Beschäftigter sehr hoch ist, wäre es wichtig, Wege zu eröffnen, wie Altersarmut trotz oft jahrzehntelanger Berufstätigkeit vermieden werden kann. In diesen Anfragen an den Status quo spiegeln sich gravierende Defizite hinsichtlich der sozialen Wertschätzung der Pflegekräfte.
Faire Entlohnung
Ein hartes Kriterium für soziale Wertschätzung –, bzw. für deren Vorenthaltung – ist die Vergütung der beruflichen Arbeit von Pflegekräften. Positives Image, anerkennende Äußerungen und Lob von Angehörigen sowie die theoretische Forderung nach mehr Anerkennung durch „angemessene Bezahlung“ stoßen, wie oben bereits deutlich wurde, auf entschiedene Zweifel an der Bereitschaft, dies auch im pflegepolitischen System umzusetzen. Pflegekräfte – Fachkräfte wie Helfende – werden je nach Berufsbild (Kranken- oder Altenpflege) und Tätigkeitsbereich (stationär oder ambulant), aber auch je nach Bundesland sehr unterschiedlich bezahlt. Die Lohnsituation in der Kranken- und Altenpflege (ohne Differenzierung zwischen stationärer und ambulanter Pflege) im Jahr 2017 sowie die Lohnentwicklung seit 2012 stellt sich laut IAB-Studie 2018 wie folgt dar: „Fachkräfte in der Altenpflege verdienen […] mit einem mittleren Lohn von 2.744 Euro 14,5 Prozent weniger als die Beschäftigten insgesamt. Helfer in der Altenpflege schneiden im Vergleich am schlechtesten ab. Sie verdienen im Mittel 1.944 Euro und damit gut 560 Euro weniger als Helfer in der Krankenpflege und fast 40 Prozent weniger im Vergleich zum Medianentgelt aller Beschäftigten. Gegenüber 2012 sind die Entgelte in der Altenpflege um über 15 Prozent gestiegen (Helfer: +15,5%; Fachkräfte: +15,6%).“[19]
Fachkräfte und Helfende in der Krankenpflege verdienen deutlich mehr als ihre Kolleg*innen in der stationären Altenpflege; am schlechtesten werden Altenpfleger*innen im ambulanten Dienst bezahlt. Laut IAB-Studie 2018 differieren die Bruttoentgelte für Fachkräfte in der Altenpflege – bezogen auf ganz Deutschland – zwischen 3.179 Euro im Krankenhaus und 2.471 Euro im ambulanten Dienst.[20] Flächendeckend besteht also bei gleicher Ausbildung und Qualifikationsstufe eine signifikante Lohndifferenz zwischen Altenpfleger*innen im Krankenhaus, in stationären Pflegeeinrichtungen und ambulanter Altenpflege; entsprechende Differenzen bei insgesamt höheren Löhnen gibt es bei Krankenpfleger*innen in den verschiedenen Einsatzfeldern. Zudem sind für alle Berufsgruppen in der Pflege regional und trägerspezifisch erhebliche Unterschiede in der Vergütung zu beobachten. Nach wie vor ist das Lohnniveau in den westlichen Bundesländern höher als in den östlichen, auch wenn sich das Lohngefälle zwischen Ost und West bei den Pflegeberufen laut IAB-Studie 2018 verringert hat und unter den Werten für Fachkräfte insgesamt liegt (Ost-West-Kluft 23,3%): „Das mittlere Bruttoentgelt der Fachkräfte in der Altenpflege liegt in Ostdeutschland mit 2.356 Euro knapp 17,5 Prozent unter demjenigen in Westdeutschland mit 2.855 Euro. Fachkräfte in der Krankenpflege erhalten dort im Mittel 11,4 Prozent weniger als im Westen. Auch bei den Helferberufen liegt der Westen vorn: Helfer, die in Ostdeutschland in der Altenpflege tätig sind, verdienen im Mittel 1.759 Euro. Das ist gut ein Achtel (-13,2%) weniger als im Westen, wo der Verdienst 2.026 Euro beträgt. Bei Helfern in der Krankenpflege sind es sogar 21 Prozent weniger: Hier liegt der mittlere Verdienst im Osten bei 2.059 Euro, im Westen dagegen bei 2.612 Euro.“[21] Relativ konstant ist das Süd-Nord-Gefälle in Westdeutschland; in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen sind die Löhne sowohl für die Fachkräfte als auch für die Helfer*innen höher als in Schleswig-Holstein und Niedersachsen[22]; bei Letzteren geht die Schere noch weiter auseinander als bei den Fachkräften.
Aus der geleisteten Arbeit lassen sich kaum überzeugende Kriterien für die erheblichen Lohndifferenzen ableiten. Die Vergütung entspricht vielfach weder den Anforderungen an den Beruf noch der Komplexität der Aufgaben. Die im Vergleich zur Gesamtheit der Beschäftigten relativ geringe Entlohnung der beruflichen Pflege, die weit überwiegend von Frauen geleistet wird, spiegelt eine mangelnde Wertschätzung gegenüber den sogenannten Care-Tätigkeiten, die einerseits traditionell weiblich konnotiert sind und andererseits hinsichtlich ihrer Professionalität notorisch unterschätzt werden.
Besonders der große Konkurrenzdruck im Pflegemarkt wirkt sich negativ auf die Löhne aus. Vor allem manche privatwirtschaftlichen Anbieter geben, wie angedeutet, den Preisdruck über eine untertarifliche Vergütung an die Pflegekräfte weiter. Das Zusammentreffen der auffallend niedrigen Entlohnung von Fachkräften und mehr noch von Helfer*innen in der Altenpflege mit der Häufigkeit von (teils unfreiwilligen) Teilzeit-Verträgen führt dazu, dass viele Pflegekräfte auch bei kontinuierlicher und langjähriger regulärer Beschäftigung keine hinreichende soziale Absicherung erwirtschaften können. Infolgedessen sind die Lebensunterhaltsicherung und vor allem die Alterssicherung für Altenpfleger*innen prekär. Bei Teilzeitarbeit, zu der es für viele Pflegekräfte in der bisherigen Organisation der ambulanten Pflege aus strukturellen Gründen keine Alternative gibt, ist ein lebensunterhaltsicherndes Einkommen und die Erwirtschaftung einer auskömmlichen Alterssicherung so gut wie unerreichbar. Die Situation wird durch Arbeitsbedingungen verschärft, die Pflegekräfte dazu veranlassen, wegen der hohen Arbeitsbelastung und zur Minderung ihrer gesundheitlichen Belastungen die Arbeitszeit selbst zu reduzieren oder „auf eigene Kosten“ zugunsten der Arbeitsqualität zu strecken.
Vor dem Hintergrund der Daten zeigt sich vor allem die Dringlichkeit einer flächendeckenden tariflichen Entlohnung von Pflegekräften. Die Forderung ist keineswegs neu: Sie wurde bereits im Jahr 2015 von Karl Josef Laumann angesichts der Ergebnisse der IAB-Studie 2015 zu den Entgelten in der Pflege erhoben.[23] Nur eine flächendeckende Tarifbindung bzw. analoge verbindliche Standards für die Vergütung der Pflegearbeit können dem Lohndumping entgegenwirken, das in einem unregulierten Pflegemarkt zur Gewinnung von Wettbewerbsvorteilen praktiziert wird. Die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst im Herbst 2020 stellen in dieser Hinsicht Verbesserungen in Aussicht, die mit den neuen Tarifverträgen im Sommer 2021 greifen sollen. Die Mindestentgelte für Helfende wie für Fachkräfte sollen in drei Stufen deutlich angehoben und die Ergebnisse der Tarifverhandlungen über das Arbeitnehmerentsendegesetz auf die gesamte Pflegebranche ausgedehnt werden, um dem Lohndumping im Pflegemarkt entgegenzuwirken.[24]
Soziale Wertschätzung der Pflege darf keine Utopie bleiben – Zusammenfassung und Ausblick
Dass es einen epochalen gesellschaftlichen Ausnahmezustand gebraucht hat, um Aufmerksamkeit für die Pflege(arbeit) zu erwirken, ist kein gutes Zeichen für den Zustand unserer Gesellschaft. Wenn Sorge- und Pflege(arbeit) und das Dasein für Andere mehr oder weniger achtlos für selbstverständlich genommen werden und den Menschen in unserer Gesellschaft, die – erwerbsmäßig oder unentgeltlich – dafür einstehen, keine Wertschätzung entgegengebracht wird, läuft etwas grundlegend schief: Es fehlt an Anerkennung – und damit an einer Sensibilität für eine fundamentale Ressource des gesellschaftlichen Zusammenlebens, die nicht „eins zu eins“ in ein Kalkül von Wert und Gegenwert übersetzt werden kann. Pflege mag sich nicht „rechnen“, volkswirtschaftlich betrachtet mag die „Investition“ in die Alten, die Dementen, die Sterbenden sich nicht „lohnen“ – sie ist „unproduktiv“. Gleichwohl ist sie unbedingt notwendig, wenn eine Gesellschaft ihren humanen Anspruch, ihre menschenrechtliche Fundamentierung nicht aufs Spiel setzen will.
Deshalb ist es sozialethisch von elementarer Bedeutung, die Arbeit derer, die sich um die Pflegebedürftigen kümmern, sozial wertzuschätzen, faire Bedingungen dafür zu schaffen und sie anständig zu entlohnen. Nur dann wird diese notwendige gesellschaftliche Tätigkeit dauerhaft sicher, gut und in ausreichendem Maße erbracht werden können und werden sich Menschen auch künftig dafür entscheiden (können), solche Tätigkeiten zu ihrem Beruf zu machen. Arbeitsbedingungen in ambulanten Diensten wie in stationären Einrichtungen müssen so gestaltet werden, dass die Pflegekräfte den beruflichen Qualitätsstandards entsprechend gute Pflege leisten können. Arbeitszeiten müssen verlässlich begrenzt und Freizeit gesichert sein. Unbezahlte Mehrarbeit und der Mangel an verlässlicher Freizeit verweisen auf die Notwendigkeit, Personalschlüssel in ausreichendem Umfang festzulegen. Glaubwürdige Anstrengungen für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen sind notwendig, um die Attraktivität der Altenpflege als Beruf zu steigern und den Pflegekräften im Beruf die Aussicht auf eine längere und ggf. umfangreichere Erwerbstätigkeit ohne das Risiko der Selbstschädigung zu eröffnen. Flächendeckend faire Vergütung kann nur durch flächendeckende Tarifbindung erreicht werden. Die Zulassung privater Anbieter von Pflegedienstleistungen sollte an die Zahlung fairer Löhne geknüpft werden.
Bei allen Überlegungen zu Bedingungen zur beruflichen Pflege darf nicht in Vergessenheit geraten, dass der größte Teil der Pflegebedürftigen in Deutschland immer noch ausschließlich von ihren – meist weiblichen – Angehörigen versorgt wird. Dass dies in der Pflegepolitik – weitgehend unausgesprochen und zu Lasten der Gesundheit und der sozialen Sicherheit der pflegenden Angehörigen – als Kostensparmodell einkalkuliert ist, bleibt meistens „unter dem Radar“ der öffentlichen Wahrnehmung. Der Einsicht, dass nämlich Pflege und Pflegende „viel mehr sind als ,systemrelevant‘, nämlich ,lebenswichtig‘“[25] sind, zu Gehör und sozialpolitischer Wirksamkeit zu verhelfen, ist auch im Corona-Jahr noch ein weiter Weg.
Anmerkungen
[1] Vgl. Roger Konrad / Marcus Jogerst-Ratzka, Ansprüche der Pflegekräfte an ihren Beruf, in: Amos international 14. Jg. (2020) H. 2, S. 27-33 (27).
[2] Vgl. Statistisches Bundesamt (2018), Pflegestatistik 2017. Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung. Deutschlandergebnisse, S. 18f. Die angeführte Statistik berücksichtigt den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und basiert auf dem System der Pflegegrade.
[3] Indikator dafür ist der ausschließliche Bezug von Pflegegeld.https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Pflege/_inhalt.html (2020-03-26). Siehe auch: Ulrich Schneekloth / Sabine Geiss / Monia Pupeter, Abschlussbericht. Studie zur Wirkung des Pflege-Neuausrichtungs-Gesetzes (PNG) und des ersten Pflegestärkungsgesetzes (PSG I). Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit, München 2017, S. 57.
[4] Vgl. Sonja Nowossadeck, Pflegebedürftige in Deutschland, in: Clemens Tesch-Römer / Christine Hagen (Hg.): Ausgewählte Aspekte zur informellen häuslichen Pflege in Deutschland. DZA Fact Sheet. Deutsches Zentrum für Altersfragen, S. 3.
[5] Heinz Rothgang / Thomas Kalwitzki / Rolf Müller / Rebecca Runte / Rainer Unger, Barmer GEK Pflegereport 2015 (Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse 36), Berlin S. 189f.
[6] Vgl. Antje Schwinger / Jürgen Klauber / Chrysanthi Tsiasioti, Pflegepersonal heute und morgen, in: Klaus Jacobs u.a. (Hg.): Pflege-Report 2019. Mehr Personal in der Langzeitpflege – aber woher?, S. 20.
[7] Schwinger / Klauber / Tsiasioti, a.a.O., S. 12f.
[8] Das Projekt „Pflegearbeit in Privathaushalten. Eine Frage der Anerkennung“ (2016 – 2020) wurde zum Großteil von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert. Es wurde am Institut für Christliche Sozialwissenschaften in Münster sowie am Nell-Breuning-Institut für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik in Frankfurt Sankt Georgen durchgeführt. Die Ergebnisse der Studie werden ausführlich dargestellt in: Bernhard Emunds u.a. (Hg.): Pflegearbeit im Privathaushalt. Sozialethische Analysen (Gesellschaft – Ethik – Religion, Bd. 18), Paderborn 2021.
[9] Vgl. hierzu als erste Ergebnisskizze: Marianne Heimbach-Steins / Lea Quaing, Angehörigenpflege unter Dauerdruck, in: Amos international 14. Jg. (2020) H. 2, S. 11-18.
[10] Zu den erwerbsmäßig Pflegenden gehören auch die migrantischen Care-Arbeiterinnen, die allerdings in der Regel keine fachliche Qualifikation mit-bringen, als sog. Live-In-Kräfte im Pflegehaushalt leben und in der Regel unter arbeitsrechtlich und ethisch höchst problematischen Bedingungen arbeiten. Die spezifischen Probleme dieser Form von Pflegearbeit und die gravierenden Anerkennungsdefizite, auf die die migrantischen Care-Arbeiterinnen treffen, werden in der Dokumentation der Projektergebnisse ausführlich vorgestellt (s.o. Anm. 8).
[11] Im Rahmen der Studie wurde eine Reihe qualitativer Expert*innen-Interviews mit Personen aus Selbsthilfeorganisationen und Interessenvertretungen Pflegearbeit Leistender bzw. der Beratung migrantischer Pflegekräfte (Mikroebene / Betroffene), aus Trägerinstitutionen ambulanter Pflegedienste, Beratungs- und Unterstützungsangebote für pflegende Angehörige sowie Vermittlungsagenturen für migrantische Pflegekräfte (Mesoebene / Arbeitgeber oder Dienstleister) sowie aus dem Feld der Pflegepolitik (Makroebene / politische Steuerung) geführt. Die Gespräche fanden zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Jahr 2017 statt. Aus Gründen der Anonymisierung können nur sehr allgemeine Angaben zu den jeweiligen Interview-Zitaten gemacht werden. Für eine präzise Vorstellung der Interviewstudie sei auf die Projektpublikation verwiesen (s.o. Anm. 8).
[12] Aus einem Interview mit Repräsentant*innen von Trägerinstitutionen ambulanter Pflegedienste.
[13] Aus einem Interview mit Repräsentant*innen von Trägerinstitutionen ambulanter Pflegedienste.
[14] Gem. § 75 (1) SGB XI schließen die Landesverbände der Pflegekassen unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes sowie des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. im Land mit den Vereinigungen der Träger der ambulanten oder stationären Pflegeeinrichtungen im Land gemeinsam und einheitlich Rahmenverträge mit dem Ziel, eine wirksame und wirtschaftliche pflegerische Versorgung der Versicherten sicherzustellen. Die Festlegung von Leistungskomplexen und zugeordneten Punktwerten als Grundlage für die Bepreisung ist ein Bestandteil der Verträge; Grundsätze für die Vergütung regelt § 89 SGB XI.
[15] Aus einem Interview mit Repräsentant*innen von Interessenvertretungen ambulanter Pflegedienste.
[16] Aus einem Interview mit Repräsentant*innen von Interessenvertretungen ambulanter Pflegedienste.
[17] Dieter Bogai / Holger Seibert / Doris Wiethölter, Die Entlohnung von Pflegekräften – große Unterschiede zwischen Berufen und Regionen, in: WiDo-Pflegereport 2016, S. 93.
[18] Dieter Bogai u.a., Viel Varianz. Was man in den Pflegeberufen in Deutschland verdient (IAB-Studie Pflege) 2015, S. 9.
[19] Holger Seibert / Jeanette Carstensen / Doris Wiethölter, Entgelte von Pflegekräften – große Unterschiede zwischen Berufen, Bundesländern und Pflegeeinrichtungen (IAB-Studie) 2018, S. 2
[20] Seibert / Carstensen / Wiethölter 2018, a.a.O., S. 5.
[21] Seibert / Carstensen / Wiethölter 2018, a.a.O., S. 3.
[22] Vgl. Seibert / Carstensen / Wiethölter 2018, a.a.O.,S. 3f.
[23] https://www.karl-josef-laumann.de/2015/01/27/studie-belegt-ungleiche-bezahlung-und-unfreiwillige-teilzeit-in-der-altenpflege-staatssekretaer-laumann-fordert-konsequenzen/ (zuletzt abgerufen: 03.11.2020).
[24] Vgl. https://oeffentlicher-dienst-news.de/tarifvertrag-altenpflege/ (zuletzt abgerufen 03.11.2020).
[25] Eva Maria Welskop-Deffaa, Mehr als systemrelevant – „die Feuerwehr des Sozialen“ und ihr Brennpunkt, in: Bayerische Sozialnachrichten 3/2020, S. 20.
Die Verfasserin
Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins ist Direktorin des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften an der Universität Münster und Herausgeberin des Jahrbuchs für Christliche Sozialwissenschaften.